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Anregender Austausch in der Aula

„Aufgetaucht – vom UvH ans Sehrohr. Ein Admiral aus dem Kinzigtal“

Flottillenadmiral Sascha Helge Rackwitz

Der Förderverein des Ulrich-von-Hutten-Gymnasiums zeigte sich hocherfreut, die lange vortragslose Durststrecke, der Epidemie geschuldet, beenden zu können, mit Flottillenadmiral Sascha Helge Rackwitz einen hochkarätigen Referenten zu gewinnen und diesen am Fr., 02.06.2023, zu einem weiteren Vortrag der Förderverein-Reihe „Aulagespräche“ eingeladen zu haben.

1. Vorsitzender des Fördervereins:
Stefan Kreß bei der Eröffnung

Admiral Rackwitz, der aus Seidenroth stammt und im Jahr 1991 am UvH sein Abitur ablegte, kam denn nun hochmotiviert und dankbar nach 32 Jahren an seine alte Schule zurück, um vor einem interessierten Publikum, dabei einigen Schülerinnen und Schülern sowie allen Altersgruppen bis zu einem betagten Fregattenkapitän a.D., zu berichten.

Referent:
Flottillenadmiral Sascha Helge Rackwitz

Rhetorisch auf allerhöchstem Niveau und den Spannungsbogen nie verlierend, gelang es dem Referenten, seine Motivation, zur Marine zu gehen wie auch seine Ausnahmekarriere in der  Bundeswehr (dabei die Politik national und international beratend) fesselnd zu vermitteln, dass es nie langweilig wurde, als der „alte Kapitän“ vor den „Landratten“ im Bergwinkel seinen Seemannsgarn spann.

So verwunderte es nicht, dass sich an einen einstündigen Vortrag eine weitere einstündige Fragerunde anschloss. Man fühlte eben, wie die großen sicherheitspolitischen und militärischen Fragen der Zeit kompetent, eben nicht oberlehrerhaft und abgehoben, im Dialog diskutiert wurden.

Von links nach rechts:
Claudius Brasch, Stefan Kreß, Flottillenadmiral Sascha Rackwitz, Dr. Dirk Leisenberg sowie Helmut Seifert

Das Aulagespräch wurde vom 1. Vorsitzenden des Fördervereins, Stefan Kreß, sowie einem weiteren Vorstandsmitglied, Dr. Dirk Leisenberg, einem guten Freund des Admirals, eingeleitet, die beide den Referenten herzlich begrüßten.

Auch Schulleiter Thomas Röder-Muhl freute sich über hohen Besuch in seinem Haus.

Inhaltlich humorvoll hob der Referent zu Beginn auf die naheliegende Frage ab, inwieweit man angesichts des leeren Kinzig-Stausees von der Notwendigkeit der Deutschen Marine spreche. Die große Bedeutung der Meere, gerade von Nord- und Ostsee, für den Außenhandel einer der größten Exportnationen wie Deutschland, kam dabei ebenso gebührend zur Sprache wie die Rolle der maritimen Räume als Verkehrswege und Datenwege, wozu der Ausbau der erneuerbaren Energien (Off-shore parks) hinzukäme. Nicht nur Putins Bild von der „See als Projektionsraum“ wurde dabei bemüht, sondern auch die Rolle Deutschlands in dieser veränderten geostrategischen Lage. Man sei dabei, auch historisch bedingt, kein „global player“ wie Frankreich oder GB, doch Selbstverzwergung stehe der Bedeutung der großen Flotte Deutschlands auch nicht an.

Es sollte sich ein rasanter Ritt in eine „verteidigungspolitisch interessante Gegenwart“ anschließen, in welchem die Zuhörerschaft einen detaillierten Einblick gewann in Ausstattung und Materialstärke der drei Ost- und Nordseeflottillen der Marine sowie des Referenten zahlreiche Stationen vom Eintritt in die Marine in Kiel 1991, über das Studium von Geschichte und Politikwissenschaften in München, dem Dienst als U-Boot Offizier sowie Kommandant von U24, Wegmarken als Berater bei der EU in Brüssel sowie auf der Hardthöhe (dem Dienstsitz des Verteidigungsministeriums in Bonn) und in Berlin, Dozent für angehende Offiziere an der Führungsakademie der Bundeswehr wie auch als Kommandeur eines NATO-Verbands und vieles mehr – bis zur Ernennung zum Flottillenadmiral im Januar 2023.

Die Gäste fühlten sich, auch dank der dezent eingesetzten Bilder, mitgenommen auf die berufliche Heuer des heutigen Admirals auf der legendären „Gorch Fock“, Cyber-Abwehr-Strategien bereits vor Jahren mit entwickelnd sowie auch den eigenen Nachwuchs kritisch mit dessen Berufswahl konfrontierend: zwei der drei Kinder von Admiral Rackwitz und seiner Frau traten bzw. treten die Offizierslaufbahn bei der Deutschen Marine an.

Flottillenadmiral Rackwitz stellte im Gespräch die wesentliche Frage nach dem eigenen Standort:

„Wo stehen wir nach dem (2.) Angriff Russlands auf die Ukraine (nach 2014) nach rund 460 Tagen Krieg?“ Später verband er dies mit der Frage nach dem „Wie“ des Soldatenberufs: wie man, gerade auch angesichts der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, mit der Frage nach dem „Nie wieder!“ umgehe: dabei gebe es, zumindest für den Referenten, nur die Option der eigenen Passivität oder eben die aktive Verhinderung, dass wieder Krieg von Deutschland ausgehe, aber auch die Auseinandersetzung und den aktiven Einsatz des „Bürgers in Uniform“ mit einer volatilen Welt.

Ein junger UvH-Abiturient, der sich im Sommer diesen Jahres in Flensburg einschifft, um seine Marine- und Offizierslaufbahn zu beginnen, trat ebenfalls in den Dialog mit dem Redner ein wie ein älterer Herr aus dem Bergwinkel, ein Fregattenkapitän a.D., der an seinem neusten Buch arbeitet, sowie viele andere aus dem Publikum.

Der Referent, der wie viele junge Menschen nach dem Abitur (1991) einfach „nur weit weg von zuhause“ wollte, machte aber auch hier den Zuhörern unmissverständlich klar, dass die ideelle Komponente des Soldatenberufs eben als „Essenz letztlich Zerstörung und Töten“ seien. Diese destruktive Seite wurde darauf hin sehr einfühlsam auf den gegenwärtigen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine angewendet, wobei der Flottillenadmiral Rackwitz wohltuend jegliches Bundeswehr-und Politik-Bashing sowie einfache Antworten vermied, aber auch begründete Ängste aus dem Auditorium über den NATO-Ernstfall mit Besonnenheit zu nehmen versuchte. Dabei gelangte er zu der Einschätzung, die deutsche Politik habe sehr wohl die Zeichen der Zeit erkannt, sei aus einem langen sicherheitspolitischen Dornröschenschlaf erwacht, und die apostrophierte „Zeitenwende“ sei die absolut richtige Reaktion. In diesem Zug verneinte er auch das einfache Narrativ, man habe es mit einem geisteskranken Putin zu tun, oder Russlands Außenpolitik werde nach dem jetzigen Krieg nicht mit weiteren Gefahren aufwarten. Zudem betonte er die große Bedeutung der transatlantischen Beziehung zu den USA, die sich eben nicht aus Europa zurückziehen dürften, und auch die drohende Gefahr einer Ausweitung der weltweiten Krisen, falls sich die dritte Weltmacht, China, im Westpazifik mit den USA im Konflikt um Taiwan militärisch begegnen sollten.

Mit viel Expertise, aber auch Bodenhaftung der Persönlichkeit, verlief dieses Aulagespräch. Mögen weitere folgen! Ein spannender, unvergesslicher Abend endete mit einem Präsent für Admiral Rackwitz, Bildern im Kreise einiger Mitabiturienten von 1991 und dem Vorstand des Fördervereins sowie einem geselligen kulinarischen Abschluss in Schlüchtern.


Text und Fotos:
StR Claudius Brasch, 2. Vorsitzender des Fördervereins